Prolog
Als sie aber hinuntergingen in diesen Tagen
Zu ihren Graebern, jeder zum Seinen, ganz aufrecht nicht durch den Schmerz —
Denn sie hatten allzuviel schon ertragen —
Da sahen einige von ihnen himmelwaerts.
Und der Himmel war trueb und grau und bedrueckt.
Sieh, da geschah es, dass eine Stimme wie Erz
Wild auf sie fiel, von oben herabfiel, und einige hoerten die Stimme fragen:
Wo sind eure Helden? Ihr geht sehr gebueckt! —
Da bog sich einer zurueck und fasste sich muehsam und hatte das Herz
Und hoerte sich sagen:
Unsere Sieger liegen erschlagen.
Und siehe, da war es, als waere allen
Goettlich aufstrahlend, auf ihre trueben Stirnen gefallen.
Gingen nun aufrecht und muehlos wie trotzige Krieger
Als waeren sie alle wie jene Sieger —
Und stolz und befreit ihrer Trauer entrueckt.
Epilog
Abermals gingen einige ueber sein Feld zur Abendzeit.
Der Himmel war dunkel. Wind ging. Das Korn bluehte weit.
Sie gingen gebeugt und schwer im letzten Licht.
Ein fremder Mann ging mit ihnen. Sie kannten ihn nicht.
Sie waren traurig, weil Jesus gestorben war.
Aber einmal sagte einer: Es ist sonderbar.
Er starb fuer sich. Und starb ohne Sinn und Gewinn.
Dass ich auch nicht leben mag: dass ich einsam bin.
Sagte ein anderer: Er wusste wohl nicht, was uns frommt.
Sagte ein dritter: Ich glaube nicht, dass er wiederkommt.
Sie gingen gebeugt und schwer im letzten Licht.
Ein fremder Mann ging mit ihnen. Sie kannten ihn nicht.
Und einer sah uebers Aehrenfeld und fuehlte seine Augen brennen.
Und sprach: Dass es Menschen gibt, die fuer Menschen sterben koennen!
Und er fuehlte Staunen in sich (als er weiterspann):
Und dass es Dinge gibt, fuer die man sterben kann.
Und jeder hat sie, und er hat sie nicht
Wiel er's nicht weiss. — Das sagte er im allerletzten Licht.
Es war ein junger Mensch. Es ging um die Abendzeit.
Der Himmel war dunkel. Wind ging. Das Korn bluehte weit.
Sie gingen gebeugt und schwer im letzten Licht.
Ein fremder Mann ging mit ihnen. Sie kannten ihn nicht.
Bertolt Brecht